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In dieser Nacht hatte nur ein einziges Schiff im Hafen angelegt: die ›Torte der Kathode‹. Die tiefschwarze Silhouette des segellosen Gaffelschoners konnte man vor dem Himmelszelt, an dem schwach der unscheinbare ›Chemische Ofen‹ schimmerte, nur erahnen.
Der Kapitän des Schiffs hatte es sich auf dem Kai bequem gemacht. Gerd-Oliver Brimborium, der als erster Mensch die Welt rückwärts umsegelt hatte, saß unter einer Laterne auf einem Klappstuhl, blickte aufs Meer hinaus, auf dem sich die Lichter der Insel in den sanften Wellen spiegelten, und summte leise ein altes, düsteres Seemannslied: »Siebzehn Mann auf der Kiste vom tot-n Mann, und dazu eine Buddel voll Rum.«.
Aus den Augenwinkeln konnte Brimborium erkennen, dass sich ihm strammen Schrittes eine weibliche Person näherte. Beinah hätte er seinen Klappstuhl zu Fall gebracht, als Brimborium eilig aufstand, um seinen nächtlichen Besuch willkommen zu heißen.
»Heißt es nicht, ein Seemann hat in jedem Hafen eine Braut, Kapitän?«, begrüßte ihn Penelope Wong. »Warum dann so allein heute Nacht?«
Brimborium zupfte seinen alizaringefärbten Caban zurecht und antwortete dabei: »Penelope, Sie kenn-n mich doch: ich mag nicht d-n Trubel der Stadt; ich habe lieber meine Ruhe. Und im Übrig-n: meine Braut ist die See.«
»Aber die kann manchmal ganz schön stürmisch sein.“, entgegnete Wong.
Brimborium musste kurz lachen bevor er begann, ein weiteres Seemannslied zu summen: »Wir lieb-n die Stürme, die brausend-n Wog-n …«
»Kapitän!«, unterbrach ihn Wong, lächelte, holte das kleine Päckchen hervor, das sie von der alten Dame auf dem Nachtmarkt bekommen hatte, und gab es Brimborium. »Vielleicht sollten wir uns jetzt lieber hierum kümmern.«
»Ach ja … der Grund für unser nächtliches Stelldichein.« Brimborium betrachtete das Päckchen im schwachen Schein der Laterne. »Wiss-n Sie, was drin ist?«
»Natürlich nicht.«, antwortete Wong leicht erbost, die Hände ich die Hüften gestemmt.

Aus der kalten, feuchten, nebligen Nacht komme ich in die warme, stickige, verqualmte Kneipe. Plakate hängen an den Wänden, mit Klebeband befestigt, teilweise eingerissen oder bemalt. Ich setze mich an einen der runden, wackligen Holztische. Glasränder. Tabakkrümel. Ich schiebe die weiße Kerze von mir, weil sie mich blendet. Draußen schieben sich merkwürdige Gestalten am Fenster vorbei.
An der Theke steht Dr. Unheimlich. Cool und scheiße. Schon nervt mich das belanglose Publikum. Kann mich irgendjemand hören ? Ich sehe alles doppelt. Auch die Schatten auf der grauen Rauhfasertapete. Die plötzlich aufleuchtende Flamme eines Feuerzeugs blendet mich für den Bruchteil einer Sekunde.
Im Schuppen ist es laut und muffig. Ich bin toll, weil ich keinen Eintritt bezahlen muss, und drängle mich an den bekannten nichtssagenden Gesichtern zur Tanzfläche durch. Sie ist da. Irgendwo auf der anderen Seite des Raums. Doch durch das schwache Licht kann ich niemanden erkennen. Der DJ verhunzt die Stimmung.
[...]
Wieder wache ich auf kurz bevor das Piepen des elektronischen Reiseweckers ertönt. Mein erster Gedanke: ›Was habe ich eben geträumt ?‹ Vergessen. Ein paar Minuten liege ich mit geschlossenen Augen da, schaue dann noch einmal zur Uhr, und stehe schließlich auf.
Ich sitze am Frühstückstisch, und zerschneide ein Mohnbrötchen mit einem Messer aus rostfreiem Edelstahl. Kaffee. Schwarz. Träume. Wünsche. Warten worauf ? Wovor habe ich Angst ? Was will ich ? Wen will ich ? Sie. Meinem Küchenschrank erzähle ich, dass es mir gutgeht.